Das Zimmer von Cynthia Soulles betritt man nie ohne Erlaubnis. Es könnte fatale Fehler haben, auch, wenn hier nie abgeschlossen ist.
Cynthias Wohnung ist klein. Sehr klein sogar. Und das findet sie auch gut so. Große Verhältnisse sind nichts für sie, zudem sie selber nicht die Allergrößte ist und sich in kleineren Räumen viel heimischer fühlt als in großen Wohnungen.
Wenn man den Raum betritt, sieht man so gut wie alles auf einen Schlag. Das einzige, was sich nicht in diesem einen Zimmer befindet, ist das minimalisierte Bad und die spärliche Küche, doch dazu gleich mehr.
Betritt man das Zimmer, fällt einem zuerst auf, dass es leer ist. Nicht ganz leer, aber doch sehr karg eingerichtet. Zwei kleine Fenster zur linken und rechten Seite der gegenüberliegenden Wand beleuchten es ein Bisschen, auf der linken Seite steht unter dem Fenster ein Bett, welches mehr an ein Holzgestellt erinnert, aber durchaus seinen Zweck tut. Die Bettwäsche darauf ist grundsätzlich roter, weicher Samt oder schwarzer, ebenso weicher Samt. Gerne auch mal in Kombination der beiden Farben. Um das Bett herum ist ein Vorhang, der an diese Stofffetzen erinnern, die man in Krankenhäuser um das Bett des Kranken zieht, damit die Sicht auf ihn versperrt ist. Einzig die Kommode aus demselben dunklen Holz, aus welchem auch das Bett ist, gehört noch hinter den Vorhang. Was in dem Nachtschrank ist, bleibt geheim und im verborgenen, nur sei gesagt, dass jede der drei Schubladen einen eigenen Schlüssel hat, welchen Cynthia immer bei sich trägt.
Auf der rechten Seite steht der Schreibtisch, ebenfalls knapp unter dem Fenster. Auch er ist aus dunklem Kirchholz gemacht und beherbergt viele kleine Geheimnisse mit jeder Schublade und mit jedem Fach, welches er hat. Auf dem Schreibtisch herrscht gewöhnlicherweise ein geordnetes Chaos. Notenblätter, leeres Papier, umgekippte Tintenfässer, Schreibfedern, rausgerissene Buchseiten, Bücher, beschriebene Notenblätter, Gedichte, Geschichten, durchgestrichenes und bekritzeltes Papier, Zeichnungen, Fotos, Schwarzweiß-Kopien und Schwarzweiß-Bilder, leere Bilderrahmen, Glasscherben, Spiegelscherben, durchgerissene Fotos, Scheren, Brieföffner, Stempel, Stempelkissen, Schminke, Tusche, Wasserfarbe, Acryl, Öle und diverse Fläschchen mit unterschiedenen Duftwassern, die schon nicht mehr als Parfüm gelten.
Alles kreuz und quer, und das nicht nur auf dem Schreibtisch. Auch der Boden ist mit dem ganzen Krempel bedeckt, überall liegt irgendwas, auf dem Boden teilen sich manchmal sogar Kleidungsstücke ihren Platz mit noch feuchten Papierfetzen, die mit schwarzer, blauer oder roter Tinte getränkt sind, einzig das Bett und der abgetrennte Teil, welcher für das Bett bestimmt ist, ist vollkommen in sauberer Ordnung.
Zwischen Bett plus Vorhang und Schreibtisch befindet sich an der Wand ein Regal, in dem fein säuberlich ihre vollbeschriebenen, bereits fertiggestellten Musikstücke und Kompositionen stehen, mit einem Buchhalter abgegrenzt von den vollgeschriebenen Heften findet man noch ein paar leere. Unter diesem Regal steht ihr größter Stolz. Eine silberne, stattliche Harfe mit feinen, silbrig-hellen Saiten. Davor ein Hocker, mit rotem Stoff bezogen und aus edlem Mahagoniholz, schräg neben Harfe und Hocker der schwarze Notenständer. Auf dem Hocker ein paar leere Zettel und ein Bleistift. Unter der Geige, dem Hocker und dem Notenständer der einzige, weiche, flauschige, rote Teppich, damit das wertvollste, was sie besitzt, ja keinen Schaden nehmen kann.
Direkt neben der Tür steht ein riesiger Schrank aus dunkler, fein verarbeiteter Kirsche mit selbst eingeschnitzten Symbolen, Zeichen, Ranken, Rosen und Blütenblättern. Hier und da kann man auch ausgefüllte Ritzen mit Tinte sehen. Der Schrank selbst ist so gut wie leer. Cynthia besitzt kaum viele Kleidungsstücke, nur sehr wenige Dinge finden den Platz in ihren Schrank. Daher ist er meistens fast leer, einzig die Kleiderbügel hängen verwaist an der Kleiderstange. Nur die Schuhe, die sind auf dem Boden des Schrankes fein säuberlich nebeneinander aufgestellt.
Auf der anderen Seite der Tür ist nochmals ein kleiner Bereich mit eben demselben Vorhang abgetrennt, der auch um ihr Bett herum angebracht ist. Das ist ihre kleine, doch recht gemütliche Schmink- und Ankleideecke, auch, wenn der Schrank auf der anderen Seite steht. In dieser Ecke steht nur eine kleine Frisierkommode, welche mit einem schwarzen Spiegel und mehreren, kleinen Schubladen versehen ist. Meistens sieht der Tisch allerdings sehr leer und chaotisch aus, denn selten benutzt das junge Ding ihr Frisiertischchen.
Die Wände in Cynthias Zimmer sind übrigens kahl. Kahl, gräulich-weiß, ohne Verzierungen, Bilder, ohne Tapete, ohne Farbe. Einfach nur gräulich. Hier und da ragt ein Nagel hervor, der mal für ein Regal vorhergesehen sein könnte. Nicht zu vergessen waren die Kerzenständer, die überall im Raum verteil standen und mit ihren halb abgebrannten Kerzen darauf warteten, wieder entzündet zu werden, auch, wenn das eher selten geschah.
Nun, da die Haupträumlichkeit des Mädchens genauer beschrieben waren, zogen die gut von der Wandfarbe übertünchten Türen auf der rechten Seite die Aufmerksamkeit auf sich. Die erste beherbergte das Bad. Der einzig vergleichsweise große Raum. Eine Eckbadewanne, auf dessen Rand viele dunkelrote Kerzen mit Himbeer- und Erdbeerduft standen. Ein schmales Waschbecken und ein kleines Klo vervollständigten das Bild des Badezimmers und auch hier herrschte ein kindliches Chaos, auf das man jetzt allerdings nicht gut eingehen kann. Das würde dann doch zu sehr in die Privatsphäre des Kindes eindringen.
Wendet man sich der zweiten Tür zu, findet man die kaum benutzte Küche vor. Kleiner Kühlschrank, kleiner Tisch, kleiner Herd mit Winzbackofen, zwei, drei Hängeschränke und ein Regal mit Kochbüchern und exotischen Gewürzen, die sie doch eh nie benutzen würde.