Der Hauptsaal

"Mir geht es hervorragend." Ich war eine von grundauf ehrliche Person. Eigentlich. Ich kannte meinen zukünftigen lehrer kaum, von da an war mir Ehrlichkeit ihm gegenüber gleichgültig. Ich wollte aber auch nicht hier rumsitzen und versauern. Mit einem erzwungenen Lächeln sah ich auf. "Setzen sie sich doch."

Als der Tanz vorbei war, wollten wir zu unseren Plätzen gehen, aber es war alles brechend voll. Also gingen wir an einen fast leeren Tisch, an dem nur eine junge Dame in meinem Alter und mein Direktor saßen. Beim näherkommen erkannte ich Etheasamentha, die heute wirklich gut aussah, sie kam mir vor wie die zweitschönste im Raum, gleich nach Gabriela.

"Das ist gut und danke, ich setze michgerne zu euch", sagte ich zu meiner Schülerin und setzte mich auf den Stuhl, den sie mir anbot. "Hallo Erik, wie geht es ihnen heute denn?"
Die rosafedernde Vogeldame Melodei flog zu meinen Schüler Kessero und sprach ihn auch gleich an: "Hallo Kessero! ist das eine Freundin von dir da neben dir? Wie geht es dir? Habt ihr gerde getanzt? Bist du in sie verliebt? Liebst du ihn? Wie heißt du? Habt ihr Körner dabei, ich habe gerade so einen Hunger." "Lass die beiden erstmal zu Wort kommen Schwester, sie können dir ja gar nicht antworten. Du hättest nichts von der Sahne probieren sollen", mischte sich Harald, mein blauer Vogel ein. Wenn er mal sprach, dann war es besser zuzuhöhren, denn er erzählte oft wichtiges. Nur die braune Vogeldame Aura hielt sich bei all dem raus.

Ich wechselte einen vielsagenden Blick mit Gabriela und sagte zu Melodai: "Gut, du wirst Antworten bekommen, aber nur auf drie deiner Fragen."
Dann standen wir auf und gingen wieder tanzen. Im Ernst, man saß doch am Neujahrsball nicht die ganze Nacht herum.

Nun war es mit Privatsphäre endgültig vorbei, sollte es jemals in diesem Saal so etwas gegeben haben. Ich fragte mich wie viele Menschen hier hineindrängen wollten. Meine hauptsächliche Sorge galt allerdings nicht dem Saal, sondern Aura; sie wirkte so unglaublich zerbrechlich neben all den unwichtigen Gestalten um uns herum. Ich hätte sie lieber mit meinen Armen umschlossen, um sie zumindest ein wenig zu schützen; ich wusste natürlich, dass dies nicht möglich war, es hätte zu viel Aufsehen erregt, was wiederum schlecht für sie wäre. Ich entdeckte weit hinten einen Tisch, der gerade frei geworden war und versuchte sie so sicher wie möglich dorthin zu bringen. Sollte sich der Trubel der Masse erst ein wenig beruhigen, auch wenn es uns einiger Zeit beraubte; es war mir lieber, als Aura mit Quetschungen hier heraus zu bringen.

Wir wirbelten einem Tornado gleich durch den Saal, getragen vom Musette Walzer des Orchesters. Sie war leicht und ich musste kaum führen, sie wusste schon jetzt, wohin ich wollte und welche Figuren kamen. Wir rempelten nur einmal ein älteres Paar an, als wir in der Promenade einem anderem Paar auswichen. Den blauen Fleck vom Absatz der Dame würde ich wohl noch eine Woche lang mit mir herumtragen. Als das Akkordeon verklang, meinte Gabriela, dass sie jetzt nach Hause müsse, weil sie unerlaubt hier war und sonst entdeckt wurde. Sie raunte mir ihre Adresse ins Ohr, küsste mich auf die Wange und schwebte davon. Alles was ich ihr noch zugeflüstert hatte war: "Solltest du mich suchen, suche auf dem Dach der Oper."
Wie vom Blitz getroffen stand ich auf der Tanzfläche. Nicht traurig, sondern überglücklich. Endlich hatte ich das Gefühl, dass einem Menschen etwas an mir lag. Trotz dem verließ ich nicht den Ball. Ich setzte mich wieder an den Tisch und schaute verträumt zum Kronleuchter empor. Ich war der glücklichste Mensch auf Erden.

"War das eine Freundin von dir gerade? Wie heißt sie? Bist du in sie verliebt? Das sind meine drei Fragen", fragte Melodei sofort Kessero, als sie sich drei Fragen ausgesucht hatte.

Ich ließ mich von ihm zu dem Tisch führen, weil die Tanzfläsche mir mitlerweile zu voll wurde. Mit leichtem Unbehangen beäugte ich die Menschenmassen, die sich an uns vorbeidrängten. Ich drückte mich etwas enger an Zephyr, als eine ältere Frau meine Schulter streifte. Gott, war das hier überfüllt!

An Melodai gerichtet sagte ich: "Ja, es ist eine Freundin von mir und sie heißt Gabriela. Ob ich sie liebe, geht dich nichts an!"
Ich sah, wie Eth's Miene immer verdrießlicher wurde und entschloss mich, sie zum Tanze aufzufordern. Sie war zwar viel kleiner als ich, doch sie war zwei Monate älter als ich. Gespannt wartete ich auf ihre Antwort, als ein Mann in der Kleidung eines pariser Kutschers hereinkam und nach einem Señor Rotrigo fragte. Er meinte, dass er gerade ein Mädchen angefahren hatte, die einen Zettel mit meinem Namen und dem Spruch von vorhin in der Hand hielt. Ratlos, wie er war, kam er zu mir, um mir die Fürsorge für das Mädchen zu übergeben. Ich stürzte in den Vorraum, nahm Gabriela auf meine Arme, rannte in den Opernsaal, der heute leer war, und ließ mich von einem Kulissenseil in die Höhe ziehen. So, in Ebene 5 nahm ich den Geheimgang und war im nu in meinem Saal. Ich legte Gabriela auf mein Bett und gab ihr von einer geheimnissvollen Arzenei, bevor ich ihr alle schürf und platzwunden verband. Zwar waren meine Zauberrosen jetzt verboten, aber die aus ihnen gewonnenen Heilmittel hatte ich aufbewahrt. Dank ihnen würde Gabriela keine Narbe behalten. Wenn nötig, nahm ich sie in Schutz vor ihrer Familie, doch jetzt brauchte sie Schlaf und so ging ich wieder hinunter zum Ball und forderte Eth nach einer kurzen Erklärung erneut auf.



(Eigentlich wollte ich sie sterben lassen, aber dann wäre Kes wieder depressiv geworden. [Ich hab Angst vor mir, ich schreib zu viel!!!])

(wieso? is doch genau richtig und wenn viel passiert muss man auch viel schreiben.)

Monsieur Kessero machte einen etwas gehetzten Eindruck, als er wiederkam, doch ich empfand es als unhöflich nachzuhaken und so stimmte ich einfach seiner Frage zu. Die Masse hatte sich etwas gelichtet, sodass ich es wagen konnte, mich in die Nähe der Tanzfläche zu begeben. Mir schwirrte noch der Kutscher von vorhin durch den Kopf und fragte mich, was er von Kessero gewollt hatte, doch ich war gerade intelligent genug um festzustellen, dass diese Unterbrechung mit seinem Kurzzeitigen Verschwinden zu tun hatte - dafür bedufte es nun wirklich keines Genies.

Ich wusste, dass Eth die Massen verabscheute, desshalb tanzten wir ganz weit außen am Rand. Die Kapelle spielte eine Rumba und Eth schien den Tanz zu mögen. Dass es die getanzte Liebeserklärung des Mannes an seine Auserwählte ist, verschwieg ich ihr lieber, zumal sie nicht meine Auserwählte war.

(Ich hab euch schon erklärt, was abgelaufen is, ließ dir mal vom letzten Beitrag den letzten Satz durch!)

(hups, sorry, hat ich wohl überlesen ._.)

Als die Musiker ihr Stück beendeten löste ich mich von meinem Tanzpartner, klatschte teilnahmslos in die Hände - schlicht der Höflichkeit wegen - und entschuldigte mich. Ich musste mich kurz setzten, der Saal verzerrte sich vor meinen Augen, schien zu fliehen. Ich sah einige schwarze, flattrige Flecke, als ob die Welt an diesen Stellen ausradiert wurde, und schwankte etwas. Ich fühlte mich miserabel, als ob sich ein Fiber ankündigen würde. Träge, müde, und doch zu aufgeweckt um zu schlafen. Mein Denken und meine Wahrnehmung nach aussen liefen in Zeitlupe ab, und ich hatte das verwirrende Gefühl, den Boden im nächsten Moment zu verlassen und an den Wänden weiterzulaufen. Das mir diese Vorstellung keine angst machte, sondern meine gleichgültige Akzeptanz dieser Tatsache ließen meine Vermutung auf Fiber lebhafter werden.

Allen Mädchen, die ich mochte, schien etwas zu passieren. Gabriela wurde angefahren und Eth sah aus, als hätte sie den Leibhaftigen persönlich gesehen. Ich stützte sie, bis sie ihren Stuhl erreicht hatte, entschuldigte mich mit den Worten Gabriela und rauschte aus dem Saal. Das Kulissenseil auf der Bühne war in der Tat eine sichere Reisemöglichkeit nach oben. Ich ging in meinen Sall und wurde gleich von einer verstörten Gabriela begrüßt. Ich verband ihre Wunden neu, verfasste einen ausführlichen Entschuldigungsbrief an ihre Eltern und machte den Vorhang vor der Ostwand so fest, dass sie ihn nicht hochziehen konnte. Dann entfachte ich noch ein Feuer im Kamin und parkte sie gemütlich. eine Viertelstunde brauchte ich für alles und als ich unterwegs auf meine Taschenuhr sah, merkte ich, dass es jetzt schon Dreiviertelzwölf war. Höchste Zeit in den Saal zu gehen, denn um Mitternacht geschah immer etwas besonderes, das war auf jedem Ball so.

Ich war verwirrt, als ich plötzlich wieder allein am Tisch saß. Ich wusste nicht mehr was zuletzt gesagt worden war, oder was ich zuletzt getan hatte. Mir war schwindelig, übel, mein Nacken war brennend heiß, dann wieder eisig kalt, wie meine Hände. Ich bildete mir ein, einige grobe Gestalten zu sehen, die nicht in das übliche Schema der anwesenden Pariser fielen. Ich erkannte auch keinen Lehrer darunter und um neue Schüler zu sein, waren sie zu alt. Die Massen drängten sich aufgeregt plappernd wieder auf die Tanzfläche, um das neue Jahr zu begrüßen, knisternde Erwartung machte sich breit, dazwischen diese seltsamen Gestalten. Als ich endlich begriff sprang ich so schnell auf, dass mein Kreislauf für einige Sekunden völlig absackte. Ich fiel auf den Stuhl zurück, wartete, bis der Boden wieder halbwegs stabil war und dann rannte ich. Ich drängte mich durch die Massen hindurch, ignorierte Protestrufe und Beleidigungen. Nur weg. Weit, weit weg von hier.

Als ich wieder runter in den Saal kam, rannte mir Eth in die Arme, das heißt, wäre sie größer gewesen, hätte sie mich umgerannt. Sie hatte geweitete Pupillen und war schweißnass. Ich überlegte einen Moment, wusste nicht ob sie nur eine Fieberfantasie oder eine schaurige Begegnung hatte und entschied mich, auf Nummer sicher zu gehen. Mit einer Technik der Tuareg wurde ich im schwarzen Umhang ein Schatten und brachte sie erstmal in ihr Zimmer. Dort setzte ich sie auf einen Sessel und schloss die Tür. Später würde ich sie fragen, wer es war und diesem zu einem schnellen Ableben verhelfen. Jetzt hieß es erstmal, Nerven bewahren und zumindest eine halbe Stunde bei ihr zu bleiben, nicht dass noch etwas passierte.

(dann würd ich sagen, ortswechsel. auf auf, zu meinem zimmer ^^)

Wir saßen eine Weile am Tisch, als mir auffiel, dass sich die Masse aufegergt plappernd auf die Tanzfläche drängte. Ein Blick auf die Uhr bestätigte meine Vermutung: es war bereits kurz vor Mitternacht. Ich hatte nicht bemerkt wie die Zeit verging. Mir brannte die Frage nach der Ankunft Aura's Eltern auf der Zunge, da ich bis jetzt niemanden gesehen hatte, der dafür in Frage kam, obwohl sie sich für heute angekündigt hatten. Ich hielt mich zurück, ich wollte meinem Frühling nicht diesen Abend mit dem Gedanken an die Ankunft ihres "Bräutigams" verderben. Stattdessen beugte ich mich zu diesem göttlichen Wesen hinüber und fragte, ob wir uns zu den Parisern auf dem Parkett gesellen sollten. Als ich sie ansah wusste ich nicht, womit ich ihre Aufmerksamkeit verdient hatte.

Ich war eine Weile in meine eigenen Gedanken verloren gewesen, bis ich Zephyrs Blick spürte. Als ich genauer hinsah erkannte ich etwas fragendes, verwundertes und ich musste mich kurz ordnen um zu begreifen worum es ging. Schließlich sah ich auf meine Uhr... 5 vor Zwölf...
"Vielleicht haben wir Glück und sie haben mich vergessen..." Ich wusste, dass er verstehen würde...
Nur irrte ich mich mit meiner Aussage gewaltig...

Ich seufzte. Für sie war ich ein offenes Buch, sie war bisher auch die einzige, die bemerkt hatte, dass etwas mit mir nicht in Ordnung war. Zumindest hoffte ich das.
"Wollen wir zu den anderen gehen? Nur an den Rand..." Ich fühlte mich unwohl, so zur Schau gestellt an diesem Tisch. Es war als ob man auf der großen Bühne stand, doch weder Text noch Anweisungen erhalten hatte. Beklemmend.

Ein stummes Nicken war ihm die Antwort. Ich erhob mich von meinem Stuhl und achtete kleinlich darauf, nicht auf meine lange Schleppe zu treten. Dann ging ich um den Tisch herum zu ihm und nahm seine Hand. Um diese Uhrzeit waren 90 Prozent sowieso betrunken und würden uns nicht bemerken und der Rest... ich würde schon dafür sorgen, dass sie uns vergaßen! Nun war es erstmal wichtig, mich um Zephyr zu kümmern. vorsichtig zog ich ihn mit mir zum Rand der Masse.
"Was hast du?", säuselte ich leise und streichelte mit einer Hand über seinen Handrücken. Als ob ich es nicht wusste... er hatte die selbe Sorge wie ich... oder nicht?

(Toll, sie ist wider da.)

"Wie lange dauert dieser Ball denn noch?", fragte Melodai genervt. Ich wusste natürlich, dass der Ball noch länger dauerte, aber ohne Sahra war es einfach nichts. "Wir gehen jetzt, es wird ja nichts neues mehr kommen." Ich stand auf und ging in Richtung Ausgang.